Heute ist ein Muffeltag. Ein Tag, an dem sich ganz viele darüber einig sind, dass Frauen zu wenig verdienen – verglichen mit Männern – und dass sie eigentlich viel mehr verdienen.
Dann ist heute auch noch der Tag, an dem wiederum andere erklären, dass es doch eigentlich gar nicht so ist. Denn würden Frauen nur die richtigen Berufe ergreifen, hätten sie genauso viel in ihren roten Handtaschen wie Männer in ihrem Portemonnaie.
Ein Grund für Dr. Diana Kisro-Warnecke rot zu sehen.
Und ein Grund für mich, sie als Vertreterin einer hochkarätigen Frauengruppe über dieses Thema zu interviewen:

Mittelmaßmama:
Gerade Sie als Vertreterin von Frauen im Management: Wie sehen Sie den Gehaltsabstand zwischen Männern und Frauen?

Kisro-Warnecke:
Zunächst einmal: Ich habe nichts gegen Gehaltsunterschiede. ABER, wenn zwei, die den gleichen Job mit gleicher Kompetenz und gleichen Ergebnissen machen, unterschiedlich verdienen, dann sehe ich rot. Und leider ist das bei Frauen nach wie vor so! Das beweisen mir die Gespräche, die Frauen in Netzwerken wie FIM miteinander führen.

Mittelmaßmama:
Woran liegt das? Daran, dass wir Frauen noch zu sehr in typischen weiblichen Positionen oder Branchen verharren, in denen man per se weniger Gehalt bekommt?

Kisro-Warnecke:
Ich sehe das Problem weniger Branchen-bezogen oder Stellen-bezogen; allerdings wirkt sich typisch weibliches Kommunikationsverhalten nach wie vor nachteilig aus. Und das um so mehr, je mehr ihre Verhandlungspartner (egal ob männlich oder weiblich) männlichen Stereotypen folgen.

Mittelmaßmama:
Das soll heißen: Leise Stimme, sozial angepasstes Verhalten, Konzentration auf Gruppenharmonie statt Fokussierung auf Konfrontation im eigenen Interesse = weniger Kohle?
So simpel ist das tatsächlich? Und vor allem: Selbst schuld, Weiber?!

Kirso-Warnecke:
Frauen ist an langfristigen Beziehungen gelegen und nicht an einem kurzfristigen Finanzvorteil. So könnte man das auch formulieren.
In diesem Sinne haben nicht die Frauen „schuld“ am eigenen Gehaltsnachteil, sondern diejenigen, die nicht erkennen, dass eine solche Eigenschaft vorteilhaft für das Unternehmen ist. Die außer Acht lassen, dass mit einem fairen Gehaltsgefüge und einer angemessenen Gehaltsentwicklung Unternehmenssicherung betrieben wird.

Mittelmaßmama:
Der Equal Pay Day als Zeichen dafür, dass unsere Wirtschaft nicht „Schreihälse“ von „Performern“ unterscheiden kann? Diesen Ansatz finde ich spannend. Er beginnt von dem abzuweichen, was ich sonst immer zum Thema zu lesen bekomme. Können Sie das für mich weiter ausführen, bitte!

Kisro-Warnecke:
Aber gerne doch!

Es gibt zum heutigen Equal Pay Day ein wunderbares Video in Youtube (Kleb Dir einen!), das mit der Bedeutung von männlichen Attitüden für unser Verständnis von Leistung und Bezahlung spielt. Zum Schluss kleben sich die Frauen Bärte ins Gesicht und greifen sich den auch für sie adäquaten, höheren Lohn. Genau das ist es, was für uns Frauen als Verhalten derzeit ratsam ist. Aber:

Jeder Manager, der sich dieses Video ansieht, sollte eigentlich vor Schock erstarren.

Denn es zeigt deutlich, dass unternehmerische Entgeltsysteme auf Masken ausgerichtet sind. Auf etwas, was vorgespielt wird. Sie blicken zu wenig auf das, was tatsächlich geschieht, tatsächlich geleistet wird! In diesem Sinne ist der Equal Pay Day nicht einfach ein Tag, an dem es um die Rechte von Frauen geht. Es ist ein Tag, an dem es um die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft geht.

Mittelmaßmama:
Sicherung der Wirtschaft durch leistungsorientierte Gehälter! Jetzt kommen wir eigentlich auch zum Thema: Motivation von Mitarbeitern!

Kisro-Warnecke:
Richtig! Es geht letzten Endes um Mitarbeitermotivation. Und Standortsicherung, denn unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital.

Motivierte Mitarbeiter sind kreative Menschen, die sich engagieren. Die neue Ideen einbringen, neue Produkte entwicklen. Hohe Qualität abliefern. Mit Freude Service für Kunden bieten. Die loyal gegenüber ihren Arbeitgebern sind. Die dadurch finanzielle Ressourcen schonen! Die langfristig in Unternehmen verbleiben.

Der Equal Pay Day ist ein prominenter Beweis dafür, wie frustrierend sich Ungleichbehandlung und Starrköpfigkeit auf Mitarbeiter auswirkt!

Und das nebenbei nicht nur auf Frauen! Sondern auch auf Männer, die durchaus auch Opfer von Ungleichbehandlung werden. Fragen wir doch einmal nach den Erfahrungen von Vätern, die sich für ihre Kinder beruflich anders organisieren möchten.

Mittelmaßmama:
Es gibt genug Männer, die sich noch nicht einmal trauen, von der Vereinbarkeit ihrer Familie mit dem Beruf zu träumen, aus Angst vor den Konsequenzen! Aber driften wir hier nicht zu sehr ab?

Kisro-Warnecke:
Das mag sein. Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass der Equal Pay Day mehr ist, als manche es gerne hätten: Es geht nicht nur – provokativ und bildlich formuliert – um lila Latzhosen.

Wichtig ist, dass angemessene, gleichberechtigte Bezahlung neue Ansätze von Kompetenzverständnis und -Erfassung benötigt.
Und positiv ist, dass die Ergebnisse uns allen zu Gute kommen. Das „Wie“ können wir gerne ein andermal vertiefen.

Gerade heute aber möchte ich Frauen ermutigen, nicht einfach irgendwelchen Klischees zu folgen.

Wir alle sollten unsere roten Taschen mit dem Selbstbewußtsein füllen, dass wir Trägerinnen wichtiger gesellschaftlicher und ökonomischer Veränderungen sind.

Wenn wir mit diesem Selbstbewußtesein und Selbstverständnis in die nächste Gehaltsverhandlung gehen, sollten wir vielleicht gar nicht den Sprung in eine höhere Gehaltsgruppe anstreben, sondern vielmehr die Formulierung eines angemessenen Entlohnungsstufenplans, den wir uns den Arbeitsverträgen festschreiben lassen. Um genau dadurch neue, verbindliche Maßstäbe für alle zu schaffen!

Mittelmaßmama:
Das ist ein Fazit genau nach meinem Geschmack. Nämlich mit einer neuen Perspektive auf die Dinge.
Ich danke Ihnen für dieses Interview!

Zur Person:
Dr. Diana Kisro-Warnecke, verheiratet, 2 Kinder,
Bundesvorsitzende der Vereinigung für Frauen im Management
Geschäftsführerin Dr. K & K ChinaConsulting
Lehrbeauftragte Strategische Unternehmensentwicklung an der FHDW Hannnover
Lehrbeauftragte am International Graduate Center der Hochschule Bremen

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